5 Klassische Navigation
Inhaltsverzeichnis
Die geographische Breite und Länge. 7
Distanzangaben und die Genauigkeit der Positionsangabe. 8
Die Position in der Seekarte. 10
Entnahme eines Ortes aus der Seekarte mit seiner Breite und Länge. 13
Eintrag eines nach Koordinaten bekannten Ortes in die Seekarte. 14
Kursangaben und Kursverwandlung. 18
Kurseintrag in die Seekarte. 18
Entnahme eines Kursus aus der Seekarte. 18
Kursverwandlung (Kursbeschickung) 18
Ablenkung (synonym: Deviation) (deviation) 19
Missweisung (synonym: Deklination) (variation) 20
Stromabdrift (tidal drift correction) 23
Stromdreieck (bekannt: KdW/FdW und Strom – gesucht: KüG/FüG) 25
Kursverwandlungsschema (course conversion scheme) 27
Stromdreieck (bekannt: KüG/FdW und Strom – gesucht: KdW) 28
Stromdreieck (bekannt: KdW/FdW und KüG/FüG – gesucht: Strom) 29
Symbole für Einträge in der Seekarte. 35
Peilung mit dem Handpeilkompass. 42
Doppelpeilung (synonym: Versegelungspeilung) (running fix) 44
Vierstrichpeilung (= 45° / 90° Peilung) 45
Vierstrichpeilung bei Wind- bzw. Stromabdrift.. 46
Doppel-Horizontalwinkelmessung. 49
Blindnavigation mit Hilfe der Tiefenlinien (blind nav) 52
Navigation ist, wenn man trotzdem ankommt…
Dies ist die Abschrift eines Funkgesprächs, das tatsächlich im Oktober 1995 zwischen einem US-Marinefahrzeug und kanadischen Behörden vor der Küste Neufundlands stattgefunden hat. Es wurde am 10.10.1995 vom Chief of Naval Operations veröffentlicht:
Amerikaner: Bitte ändern Sie Ihren Kurs um 15 Grad Norden, um eine Kollision zu vermeiden.
Kanadier: Ich empfehle, Sie ändern Ihren Kurs 15 Grad nach Süden, um eine Kollision zu vermeiden.
Amerikaner: Dies ist der Kapitän eines Schiffs der US-Marine. Ich sage noch einmal: Ändern Sie Ihren Kurs.
Kanadier: Nein. Ich sage noch einmal: Sie ändern Ihren Kurs.
Amerikaner: Dies ist der Flugzeugträger „USS Lincoln“, das zweitgrösste Schiff in der Atlantikflotte der Vereinigten Staaten. Wir werden von drei Zerstörern, drei Kreuzern und mehreren Hilfsschiffen begleitet. Ich verlange, dass Sie Ihren Kurs 15 Grad nach Norden, das ist eins fünf Grad nach Norden, ändern, oder es werden Gegenmassnahmen ergriffen, um die Sicherheit dieses Schiffes zu gewährleisten.
Kanadier: Wir sind ein Leuchtturm. Sie sind dran.
In der Nautik spricht man anstatt von der Navigation auch von der Steuermannskunst und versteht darunter die Fähigkeit ein Schiff sicher zum gewünschten Zielpunkt zu führen. Es geht also darum die gegenwärtige geografische Position zu bestimmen, sodann den optimalen Weg zum Ziel zu ermitteln und zuletzt unter Berücksichtigung von Einflüssen wie Wind (Abdrift) und Strom (Abtrift) den richtigen Kurs zu steuern und dabei jegliche Kollisionsgefahr zu vermeiden.
Je länger die zurück gelegte Distanz, umso grösser ist das Risiko, dass trotz Anliegen des berechneten Kursus eine Abweichung zwischen dem vermuteten Schiffsort und der wahren Schiffsposition auftritt, also muss man sich von Zeit zu Zeit wieder Sicherheit über die tatsächliche Schiffsposition schaffen. In der langen Geschichte der Navigation haben sich in Abhängigkeit von den jeweils vorherrschenden naturwissenschaftlichen Erkenntnissen und den technischen Errungenschaften verschiedene Verfahren der Navigation zur Bestimmung der genauen Position eines Ortes, wie des eigenen Schiffsortes, gebildet.
Dazu zählen die Folgenden:
Bestimmung der Position eines Ortes durch einen visuellen Vergleich zwischen dem Küstenverlauf mit seinen markanten Punkten und der vorliegenden Karte.
Bestimmung der Position eines Ortes aus den zurück gelegten Kursen und Distanzen, wobei sich die Distanzen wiederum als Faktor aus Zeit und Fahrtgeschwindigkeit ermitteln. Dabei kann der Kurs mit dem Kompass oder mittels des Sonnenstandes bestimmt werden, die Fahrt durch Schätzung oder Messung mit dem Relingslog. Das graphische oder rechnerische Addieren der einzelnen Wegstrecken führt dann zu einer Position, die als Koppelort oder auch gegisster Ort bezeichnet wird.
Bestimmung der Position eines Ortes in Küstennähe anhand von Landmarken (markante Punkte an Land), Leuchttürmen, Seezeichen und Funkbaken mittels Richtungs- (Peilung) und Abstandbestimmung (Höhen- und Horizontalwinkelmessung); auch die Bestimmung der Tiefe des Fahrwassers (Lotung) gehört dazu.
Bestimmung der Position eines Ortes durch Richtungs- und Höhenwinkel-Messung mit dem Sextanten zu Sonne, Fixsternen oder Planeten. Es werden eine genaue Uhr und aktuelle Berechnungstafeln benötigt. Für die Navigation auf hoher See (z.B. bei Ozeanpassagen) geeignet, wegen ihrer geringen Genauigkeit jedoch nicht für die Küstennavigation.
Zu diesen klassischen Navigationsverfahren gesellen sich die elektronisch gestützten Methoden:
Bestimmung der Position eines Ortes mittels satellitengestützter Verfahren (GNSS – Global Navigation Satellite System) wie GPS (Global Positioning System des US-Verteidigungsministeriums), GLONASS (das russisch-englische GLObal NAvigation System), das chinesische Beidou- und das europäische Galileo-System.
Bestimmung der Position eines Ortes und der Position anderer Peilobjekte in Relation zum eigenen Standort mittels Abstands- und Winkelmessung mit Radarwellen.
Bestimmung der Position eines Ortes durch ein auf Laufzeitmessung beruhendes Hyper-belverfahren mit Langwellen mit dem Namen LORAN (Long Range Navigation). Ein Äquivalent dazu war das inzwischen ausser Dienst gestellte britische Decca-Verfahren.
Egal, welches Navigationsverfahren wir zur Orts- und Kursbestimmung auswählen, der ermittelte Ort muss eindeutig und unverwechselbar sein und mit seinen Koordinaten, welche nur für ihn gelten, in der Seekarte dargestellt werden können.
In der Seefahrt wird ein Ort mit seiner Breite und seiner Länge beschrieben. Diese Koordinaten beziehen sich auf das so genannte Gradnetz, welches die Erdoberfläche in Kreise einteilt. Kreise, die den gesamten Erdumfang umspannen, werden als Grosskreise bezeichnet.
Der Äquator trennt die Nord- und die Südhalbkugel der Erde, die man sich als Kugel mit abgeflachten Punkten an den beiden Polen vorstellen kann. Der Äquator ist der Breitenkreis mit der Bezeichnung 00°. Vom Äquator aus zählt man 90 Breitengrade bis zum Nordpol und 90 Breitengrade bis zum Südpol. Statt von Breitenkreisen spricht man auch von Breitenparallelen. Der Äquator ist dabei das einzige Breitenparallel, welches den gesamten Erdumfang umspannt (und damit der einzige Grosskreis unter den Breitenparallelen); alle anderen Breitenparallele haben einen geringeren Umfang.
Die Längenkreise schneiden die Breitenkreise im rechten Winkel, verlaufen also in Nord-Süd-Richtung. Alle Längenkreise umspannen den gesamten Erdumfang und sind deshalb allesamt Grosskreise. Statt von Längenkreisen spricht man auch von Meridianen und bezeichnet damit einen Halbbogen, also die Verbindung vom Nord- zum Südpol. Um die Meridiane zählbar zu machen, musste man einen Nullmeridian bestimmen. Anders als beim Äquator, der durch die Erdform vorgegeben ist, musste der Nullmeridian künstlich bestimmt werden. In der Geschichte gab es unterschiedliche Nullmeridiane. Heute beziehen sich alle Koordinatensysteme auf den Meridian von Greenwich (frühere Sternwarte in London). Von hier aus zählt man 180 Längenkreise nach Westen und 180 Längenkreise nach Osten. Östlich von Greenwich nehmen die Längengrade also von links nach rechts zu; westlich von Greenwich nehmen die Längengrade hingegen von rechts nach links zu.
Die Meridiane werden auch Mittagslinien genannt. Die Erde dreht sich bekanntlich, und zwar von West nach Ost in 24 Stunden einmal um die eigene Achse, die durch den geografischen Nord- und Südpol verläuft. Entsprechend erreichen die Meridiane von Ost nach West nacheinander den Höchststand der Sonne zur Zeit ihres wahren Mittags. Wir werden hierauf noch einmal zurückkommen, wenn wir uns mit den Zeitzonen beschäftigen. Doch konzentrieren wir uns zunächst weiter auf das Gradnetz, welches durch die Breiten- und Längenkreise gebildet wird.
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φ 00° 00.0‘ N/S λ 000° 00.0‘ W/E
Beispiel Position vom Leuchtturm Fastnet Rock: φ 51° 23‘ N λ 009° 23‘ W
Man beachte dabei die Konvention für die Schreibweise. Die Angabe des Breitengrades nördlich (N) oder südlich (S) des Äquators erfolgt 2-stellig (von 00° bis 90°); die Angabe des Längengrades westlich (W) oder östlich (E) vom Nullmeridian erfolgt 3-stellig (von 000° bis 180°).
Früher wurde der Äquator zur Messung der Länge einer Bogenminute genutzt. Der Erdumfang beträgt am Äquator 40.000 km. Dieser Umfang teilt sich auf 21.600 Bogenminuten (360° x 60 Minuten) auf. Dividiert man den Erdumfang durch die Anzahl der Bogenminuten ergibt sich eine Länge von 40.000 / 21.600 = 1.852 m bzw. 1,852 km.
Am Äquator hat die Erde eine idealtypische Kugelform. Das heisst die Länge einer Bogenminute ist überall auf dem Äquator identisch. Auf den Längenkreisen, die – wie der Äquator - allesamt Grosskreise sind, ist der Erdumfang zwar genauso gross, die Länge einer Bogenminute differiert aber je nachdem, wo man sie auf dem Längenkreis misst. Ursache dafür ist die Fliehkraft der Erdrotation, welche am Äquator am größten und an den Polen null ist. Durch diese entsteht die Erdabplattung, welche eine Abweichung von der Kugelform zur Folge hat; es entsteht eine elliptische Form. Folglich ist die Distanz, die durch eine Bogenminute beschrieben wird, auf einem Meridian abhängig von der geographischen Höhe: Eine Meridianminute der geographischen Breite beträgt am Äquator 1842,90 m, an den Polen aber 1861,57 m. Nach dem Ellipsoidparameter des WGS 84 ergibt sich ein mittlerer Wert von 1852,216 m. Definiert man eine Seemeile (sm; sea mile) also als den Abstand zweier sich um eine Bogenminute unterscheidender
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Theoretisch ist die alte Betrachtungsweise, die die Länge einer Bogenminute auf dem Äquator definiert, also nicht korrekt. Praktisch spielt dies für uns jedoch keine Rolle, weil die IHO die Länge einer Seemeile für Angaben in der Seefahrt mit 1852 m (also dem abgerundeten Durchschnittswert) festgelegt hat. Diese per Defintion vereinheitlichte Seemeile trägt die Bezeichnung Nautische Meile (nm; nautical mile).
1 Bogenminute (Breitenparallel) = 1 Seemeile = 1,852 km
Für Positionsangaben ist das Mass der Bogenminute oft noch zu ungenau; man gibt die Bogenminuten deshalb oft mit einer Stelle hinter dem Komma an.
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Die Stelle hinter dem Komma ist also 1/10tel Bogenminute, dies entspricht 185,2 m (was man auch 1 Kabellänge nennt). Da eine Bogenminute 60 Bogensekunden hat, entspricht eine Kabellänge (cable) in dieser Darstellungsform 6 Bogensekunden.
Will man die Position statt in Dezimalschreibweise lieber in „Grad – Minuten – Sekunden“ darstellen, muss man die Nachkommastelle mit 60 multiplizieren und erhält die Bogensekunden. In unserem Beispiel: 0,5` x 60 = 30“ bzw. 0,2` x 60 = 12“; als Schreibweise ergibt sich:
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Vice versa gilt: Wenn man die Sekunden durch 60 teilt erhält man die Dezimalschreibweise; so lässt sich beispielsweise die Angabe 44° 33’ 30“ N auch als
44° 33,5’ N darstellen (dabei ergeben 30“ / 60 = 0,5’).
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Um eine Position mit ihren Längen- und Breitenkoordinaten in eine Seekarte eintragen zu können, musste ein Weg gefunden werden, wie man das Gradnetz auf der Erdkugel auf eine zweidimensionale Fläche projizieren kann oder anders formuliert, wie man einen gekrümmten Ausschnitt der Erdoberfläche auf einer ebenen Fläche abbilden kann. Für diese Projektion gibt es verschiedene Verfahren, von denen vor allem zwei Einzug in die Navigation gefunden haben:
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Wie wurde das erreicht? Das Prinzip ist recht anschaulich. Die einzelnen Punkte auf der Erdoberfläche werden vom Erdmittelpunkt aus auf einen Zylinder projiziert. Man kann sich das auch so vorstellen, als ob man die Erde wie eine Apfelsine entlang der Meridiane aufschneidet. Dann müssen die Streifen so gedehnt werden, dass die Meridiane wieder vertikal verlaufen. Die dabei aufgetretene Verzerrung in Ost-West-Richtung muss durch Strecken in Nord-Süd-Richtung ausgeglichen werden, damit ein Kreis auf der Erdoberfläche auch als Kreis auf der Karte erscheint.
Die Verzerrung und damit die notwendige Streckung sind umso grösser je weiter man sich vom Äquator entfernt. Man muss sich deshalb darüber bewusst sein, dass durch das abschliessende Strecken in Nord-Süd-Richtung die Abstände zwischen den einzelnen Breitenparallelen in Richtung der Pole zunehmen.
Die Mercatorprojektion hat also auch ihre Schwächen:
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Mercatorkarten sind nicht richtungstreu, dadurch werden Grosskreise, obwohl sie die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten sind, nicht als Geraden dargestellt. Im Klartext heisst dies, wenn wir in einer Seekarte mit Mercatorprojektion einen gleichbleibenden Kurs (auch Kursgleiche oder Loxodrome oder englisch rhumbline genannt) eintragen, dann zeigt uns dieser nicht die kürzeste Verbindung zwischen den beiden Endpunkten. Auf der Erdkugel betrachtet nähert sich eine Loxodrome den Polen als Spirale. Die kürzeste Verbindung auf der Erdkugel wäre die auf dem Grosskreis (great circle), welcher beide Endpunkte verbindet, dieser würde sich in der Mercatorkarte jedoch als polwärts gekrümmter Bogen (genannt: Orthodrome) darstellen.
Für kleine Entfernungen unterhalb von 500 km / 300 sm ist der Unterschied zwischen Orthodrome und Loxodrome vernachlässigbar. Bei Langstreckentörns betreibt man aber bereits besser Grosskreisnavigation. Man besorgt sich vom Seegebiet dazu zusätzlich zur Mercatorkarte eine richtungstreue Karte mit gnomischer (Azimutal-) Projektion.
Will man nun von einem Punkt zu einem anderen navigieren, so kann man die kürzeste Wegstrecke in dieser Karte nun durch Verbinden der Punkte mit einer geraden Linie ermitteln; dies ist die Orthodrome. Die auf der Orthodrome liegenden Wegpunkte, überträgt man mittels ihrer Koordinaten in eine winkeltreue Mercatorkarte und kann diese dann wie gewohnt ansteuern.
Auf weitere Projektionsarten, wie man sie für verschiedene Betrachtungszwecke nutzt, wird hier nicht näher eingegangen. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick welche Projektionsarten, ausser der Mercatorprojektion (B), der traversen Mercatorprojektion (C) und der gnomischen Projektion (G), noch anzutreffen sind:
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In der praktischen Arbeit mit der Seekarte nimmt man den Abstand des betreffenden Ortes zum nächsten Breitenkreis in den Marinezirkel, legt diesen am linken oder rechten Kartenrand an und entnimmt die geographische Breite (φ). Danach nimmt man den Abstand zum nächsten Meridian in den Zirkel, legt diesen am unteren oder oberen Kartenrand an und entnimmt die geographische Länge (λ). Dabei ist darauf zu achten, dass die Werte in nördlichen Breiten nach oben zunehmen, in südlichen Breiten ist es umgekehrt; in östlicher Länge nehmen die Werte nach rechts zu, in westlicher Länge ist es umgekehrt.
Beim Eintragen eines Ortes in die Seekarte geht man den umgekehrten Weg und steigt mit den Koordinaten über die Kartenränder ein. Dazu nimmt man am linken oder rechten Kartenrand die Distanz zum nächsten Breitenkreis in den Zirkel, wandert mit dem Zirkel zur ungefähren Länge und zeichnet dort auf der richtigen Breite eine Hilfslinie ein. Danach nimmt man am unteren oder oberen Kartenrand die Distanz zum nächsten Meridian in den Zirkel, wandert mit diesem zur bereits markierten Breite und schlägt dort vom Meridian aus einen Halbkreis; dort wo sich dieser Halbkreis mit der Hilfslinie schneidet, ist der Standort.
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Für die Eintragung einer Uhrzeit in die Seekarte gelten bestimmte Konventionen. So schreibt man die Uhrzeit grundsätzlich in vier Ziffern (z.B. 0530 oder 0530). Die massgebliche Uhrzeit ist die so genannte Bordzeit (BZ). Diese kann mit der lokalen Zeit der Zeitzone, in der sich das Schiff befindet, übereinstimmen, muss aber nicht; denn auf längeren Törns, in denen mehrere Zeitzonen passiert werden, legt man häufig für die gesamte Zeit des Törns eine einheitliche BZ fest.
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Von dem Nullmeridian in Greenwich ausgehend liegt die Basis-Zeitzone zwischen 007° 30‘ West und 007° 30‘ Ost. Die hier herrschende Uhrzeit heisst Universal Time (UT) – früher auch Greenwich Mean Time (GMT). Die maritimen Nachschlagewerke beziehen sich in der Regel auf diese UT. Lokal wird die Zeit in dieser Zeitzone Westeuropäische Zeit (= englisch: West European Time WET) genannt. Die genaue UT wird im Übrigen durch die Schwingung von Caesium-Atomen ermittelt.
Will man eine Zeitangabe in UT auf die lokale Zeit umrechnen, muss man wissen, in welcher Zeitzone man sich befindet. Dies kann z.B. die Mitteleuropäische Zeit (MEZ = englisch: Central European Time CET) sein, welche von 007° 30‘ Ost bis 22° 30‘ Ost gilt. Der Zeitunterschied zwischen der UT und der MEZ beträgt 1 Stunde. Man kann sich das auch so vorstellen, dass die Sonne in Greenwich eine Stunde später im Zenit steht (sprich ihren höchsten Stand hat), als auf einem Ort in der Mitte der MEZ-Zone, also ist es in der MEZ-Zone immer eine Stunde später, welches man so beschreibt: MEZ = UT + 1h
Aus Gründen der Ressourcenschonung (Stromkosten) haben verschiedene Länder eine gesetzliche Landeszeit erlassen, die von der in der Zeitzone herrschenden lokalen Zeit abweicht. Man spricht von der Daylight Saving Time (DST). Mit der Umstellung von der Normalzeit auf Sommerzeit (jeweils am letzten Sonntag im März) wird die Uhr um eine Stunde vorgestellt. Passiert das morgens um 04:00 Uhr, zeigt die Uhr dann bereits 05:00 Uhr an. Es bleibt also länger dunkel; aber um diese Uhrzeit merkt das fast Niemand; der erwünschte positive Stromspareffekt entsteht erst abends, wenn die Uhr beispielsweise um 21:00 Uhr bereits 22:00 Uhr anzeigt und es folglich länger hell bleibt. Die Rückstellung erfolgt jeweils am letzten Sonntag im Oktober.
In Ländern mit MEZ (beispielsweise in der Schweiz und in Deutschland) heisst die DST Mitteleuropäische Sommerzeit MESZ (englisch: Central European Summertime CEST) und diese verhält sich zur UT wie folgt: MESZ = UT + 2h
Zeitangaben können auch in Dezimalschreibweise erfolgen, so entspricht eine Zeitdauer von 1 Stunde 30 Minuten 1,5 Stunden. Will man von einer dezimal angegebenen Zeit zur Stunden-Minuten-Angabe gelangen muss man die Ziffern hinter dem Komma mit 60 multiplizieren, so entsprechen 2, 2 Stunden z.B. 2 Stunden und 0,2 x 60 Minuten, also 2 Stunden 12 Minuten.
Wir haben gelernt, dass eine Seemeile genau einer Bogenminute auf einem Grosskreis entspricht. Wenn wir in der Seekarte also eine genaue Distanz abgreifen wollen, so brauchen wir als Massstab einen verzerrungsfrei dargestellten Grosskreis. Am oben und unteren Kartenrand befinden wir uns auf Breitenkreisen; wie wir ebenfalls wissen gibt es nur einen Breitengrad, der auf einem Grosskreis liegt, nämlich den Äquator auf 00° N/S. Folgerichtig eignen sich der obere und untere Kartenrand (mit dieser einen Ausnahme) nicht zur Ermittlung von Distanzen.
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Abgreifen sollte man eine Distanz mit dem Karten- bzw. Marinezirkel. Dazu nimmt man die Distanz zwischen zwei Punkten auf der Karte in den Zirkel und legt diesen – wie oben erläutert – am linken oder rechten Kartenrand an. Dort kann man dann die mit dem Zirkel abgesteckten Minuten (= Seemeilen) ablesen. Umgekehrt kann man auch eine am Kartenrand in den Zirkel genommene Distanz am Kursstrich abtragen.
Die Fahrtrichtung eines Schiffes über Grund, also sein Kurs kann in Mercatorkarten, wie oben erklärt, als Gerade eingetragen werden. Das Kursdreieck wird auf der Karte mit seinem Mittelpunkt auf seiner Hypotenuse auf dem nächsten Meridian angelegt. Die Spitze des Kursdreiecks zeigt dabei immer nach unten. Jetzt dreht man das Kursdreieck so um den Mittelpunkt, dass sich die gewünschte Gradzahl (des Kurses oder der Peilung) mit dem Meridian deckt. Winkel für östliche Kurse (Peilungen) liegen auf der (zumeist schwarzen oder grünen) Aussenskala des Dreiecks, Winkel für westliche Kurse (Peilungen) auf der (zumeist roten) Innenskala:
Hat man den gewünschten Winkel zum Meridian anliegen, verschiebt man das Kursdreieck entlang des angelegten Anlegedreiecks bis zum Startpunkt der Kurslinie, also in der Regel zum Schiffsort und trägt die Kurslinie nun in die Karte ein. Die Länge der Linie gibt die Distanz an (siehe Seite 16).
Hierbei startet man mit dem Einzeichnen der gewünschten (Kurs-) Linie als gerade Verbindung zwischen zwei Punkten. An diese Gerade legt man das Kursdreieck an (mit dem rechten Winkel nach unten) und verschiebt dieses unter Zuhilfenahme des Anlegedreiecks, bis sich der Mittelpunkt auf der Hypotenuse mit dem nächsten Meridian deckt, jetzt kann man den Kurswert auf der Gradskala ablesen.
Für das Arbeiten in der Seekarte benötigen wir den Kurs über Grund. Diesen müssen wir also zu-nächst ermitteln. Dazu sind mehrere Rechenschritte erforderlich.
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Bei der Arbeit mit der Ablenkungstabelle müssen wir also unseren Magnetkompasskurs (MgK) ablesen und mit diesem Wert in die entsprechende Spalte der Tabelle einsteigen. In der anderen Spalte lässt sich dann der Ablenkungswert ablesen. Zwischenwerte müssen gerundet werden. Wird die Kompassanzeige nach Ost abgelenkt hat die Ablenkung ein positives Vorzeichen; bei einer Ablenkung nach West ein negatives Vorzeichen. Ein um die Ablenkung/Deviation (Dev) korrigierter Magnetkompasskurs (MgK) heisst missweisender Kurs (mwK). Die Korrektur wird auch Beschickung genannt. Man beschickt den MgK als mit der Deviation um den mwK zu erhalten.
Mgk + (+/-) Dev. ð mwK
Rechnen wir in der umgekehrten Richtung, wollen wir also vom missweisenden Kurs (mwK) zum Magnetkompasskurs (mgK) gelangen, müsste die Ablenkungstabelle noch eine weitere Spalte haben, also wie folgt aufgebaut sein: MgK – Mw – mwK. Dann würden wir über die rechte Spalte einsteigen und den links danebenstehenden Mw-Wert ablesen. Eine solche Ablenkungstabelle (auch Steuertabelle genannt) wäre genauer. In der Prüfung zum Hochseeausweis wird mit der vereinfachten Variante gearbeitet, bei der MgK und mwk gleichgesetzt werden.
Anmerkung:
Haben wir keine Ablenkungstabelle bzw. Steuertabelle an Bord, müssen wir diese selbst erstellen. Der Kontrolle bzw. Erstellung der Tabelle widmet sich ein Exkurs in den Ausführungen zur Deckpeilung (siehe: Kapitel 5.3.1[MT6] ).
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Entsprechend messen wir auch unseren Kurs als Winkel zwischen der Kiellinie unseres Schiffes und magnetisch Nord (= missweisender Kurs) oder als Winkel zwischen der Kiellinie unseres Schiffes und geographisch Nord (= rechtweisender Kurs).
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Wird unsere Kompassanzeige durch den Erdmagnetismus in östliche Richtung (Angabe „E“ oder „O“) verfälscht, dann haben wir es mit einem positivem Missweisungswert (increasing) zu tun. Wird unsere Kompassanzeige durch den Erdmagnetismus hingegen in westliche Richtung („W“) verfälscht, dann liegt ein negativer Missweisungswert (decreasing) vor.
Hinzu kommt noch die Tatsache, dass der magnetische Nordpol jedes Jahr circa 40 km wandert und sich die Mw deshalb über die Zeit verändert. Diesem Effekt wird dadurch Rechnung getragen, dass uns in der Missweisungsrose auch eine jährliche Veränderung mit angegeben wird. Um die zum Zeitpunkt unserer Navigation gültige Mw zu erhalten, müssen wir den in der Missweisungsrose angegeben Wert noch mit der jährlichen Veränderung korrigieren.
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Um nun vom mwK zum rechtweisenden Kurs (rwK) zu gelangen, müssen wir die aus der Seekarte entnommene und mit dem Jahreswert korrigierte Missweisung (Mw) noch zum mwK addieren. Man spricht hierbei auch um eine Beschickung des mwk mit der Mw zum rwK.
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Nicht überall ist die Missweisung eindeutig feststellbar, es gibt auch Seereviere mit unsicherer Missweisung. Dies ist in der Seekarte dann angegeben (siehe Beispiel INT 1706):
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In manchen Seekarten (in der Regel denen im Übersegler-Massstab) finden wir zudem auch noch Linien, die die Orte gleicher Missweisung mitein-ander verbinden. Diese nennt man Isogonen.
Wenn es weder Ablenkung (Abl. bzw. Dev.) noch Missweisung (Mw) hat sind der MgK, der mwK und der rwK identisch. Werden die Ablenkung (Abl. bzw. Dev.) und die Missweisung (Mw) in einem Wert zusammengefasst, spricht man auch von der Fehlweisung (Fw) bzw. der Magnetischen Fehlweisung (MgFw).
Eine weitere Grösse, die wir beachten müssen, ist die Windabdrift. Diese betrifft vor allem Yachten unter Segel auf Am-Wind-Kursen; auf anderen Kursen kann man die Windabdrift vernachlässigen. Betroffen sind aber auch Motoryachten mit hohen Aufbauten. Man kann den Windeinfluss erkennen, indem man das ablaufende Kielwasser hinter dem Heck des Bootes beobachtet.
Die Windabdrift führt zu einem Abweichungswinkel zwischen der Kielrichtung (rwK) und dem Kurs durchs Wasser (KdW). Man muss also den rwk mit der Beschickung für Wind (BW) korrigieren, um zum KdW zu gelangen.
Die Richtung der BW hängt von der relativen Richtung des Windes zur Kielrichtung ab. Eine Handskizze, auf der man das Schiff mit seiner Kielrichtung und die Windrichtung aufzeichnet, hilft mit, um zu erkennen, ob wir es mit Windeinfall von Backbord zu tun haben und das Schiff im Uhrzeigersinn abdriftet (= Wind von Backbord: Die BW hat dann ein positives Vorzeichen) oder ob das Schiff entgegen dem Uhrzeigersinn abdriftet (= Wind von Steuerbord: Die BW hat dann ein negatives Vorzeichen):
Die Stärke der BW ist hingegen von dem Kurs zum Wind, von der Windstärke und von der Bauart des Schiffes abhängig. In der Praxis wird mit Erfahrungswerten gearbeitet.
Eine grobe Anhalt gibt eine Faustregel, welche sich an der Windstärke (Beaufort) orientiert:
Kurs zu Wind | BW |
am Wind | Bft. x 2 |
halber Wind | Bft. x 1 |
raumer Wind | Bft. x 0,5 |
vor dem Wind | 0 |
Die Bauart des Schiffes findet bei der nachfolgenden Tabelle Berücksichtigung:
Moderne Rennyacht | hart am Wind | unter Vollzeug | BW 4° |
| im 2. Reff | BW 8° | |
| mit Sturmbeseglung | BW 16° | |
| am Wind | unter Vollzeug | BW 2° |
| im 2. Reff | BW 4° | |
| mit Sturmbeseglung | BW 8° | |
Moderne Fahrtenyacht | hart am Wind | unter Vollzeug | BW 5° |
| im 2. Reff | BW 10° | |
| mit Sturmbeseglung | BW 20° | |
| am Wind | unter Vollzeug | BW 3° |
| im 2. Reff | BW 6° | |
| mit Sturmbeseglung | BW 12° | |
Traditionelle Fahrtenyacht | hart am Wind | unter Vollzeug | BW 7° |
| im 2. Reff | BW 14° | |
| mit Sturmbeseglung | BW -° | |
| am Wind | unter Vollzeug | BW 4° |
| im 2. Reff | BW 8° | |
| mit Sturmbeseglung | BW 16° |
Das Berechnungsschema um vom rechtweisenden Kurs (rwK) zum Kurs durchs Wasser (KdW) zu kommen lautet:
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Kommen wir zur letzten Grösse, die die Ermittlung unseres Kurses beeinflusst. Es geht um den Stromeinfluss. Man spricht von Stromabdrift oder auch von Abtrift. Strom tritt regelmässig in Fliess- und Tidengewässern auf. Wie beim Windeinfluss interessieren uns auch beim Strom die Richtung, in der er uns versetzt und seine Stärke (gemessen in Knoten).
Befinden wir uns in der Nähe einer verankerten Tonne, so können wir die Stromrichtung (Richtung, in die der Strom setzt) anhand der Neigungsrichtung ausmachen. Die Stromgeschwindigkeit ermitteln wir dann, indem wir das Schiff neben der Tonne auf derselben Höhe halten und den anliegenden Wert für die Fahrt durchs Wasser auf der Logge ablesen. Dasselbe können wir beim Ankern herausfinden. Ausserhalb der Küstengewässer sind wir auf andere Informationsquellen angewiesen.
Die hydrographischen Institute erstellen für Gewässer mit navigatorisch relevanten Gezeitenströmungen Nachschlagewerke, die uns über die zu erwartende Stromstärke und Stromrichtung zu einer gegebenen Uhrzeit Auskunft geben (siehe zum Beispiel „Atlas der Gezeitenströme“ in Kapitel 4.1.8). Auch in manchen Seekarten finden sich Angaben zu den Strömungsverhältnissen, so in der Seekarte INT 1706:
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Den Besonderheiten der Gezeiten widmen wir uns noch ausführlich im Kapitel VII; dort werden dann die Begriffe Hochwasser, Springtide etc. behandelt. Deswegen beschränken wir uns an dieser Stelle auf die blosse Feststellung, dass wir die zur Berechnung der Stromabdrift benötigten Daten geliefert bekommen. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass wir in bestimmten Seegebieten auch die dort herrschende permanente Meeresströmung berücksichtigen (siehe: Kapitel 7.3.3) müssen.
Die Information zur Stromstärke und –richtung müssen wir noch interpretieren, um zu wissen welchen Einfluss sie auf unseren Kurs bzw. Fahrt über Grund haben, denn dies hängt natürlich auch von unserer Fahrtrichtung und unserer Fahrtgeschwindigkeit ab.
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KdW + (+/-) BS ð KüG
Den Wert für die BS ermitteln wir am besten zeichnerisch auf einem Hilfspapier; dazu bedient man sich des „Stromdreiecks“, mit dessen Hilfe wir aus zwei bekannten Grössen die dritte unbekannte Grösse ermitteln können. Die gebräuchlichen Stromdreiecke werden in Folgenden beschrieben:
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In unserem Fall sind der KdW mit der FdW bekannt, sowie die Richtung und Stärke des Stroms. Ermitteln möchten wir nun den KüG mit der FüG.
Auf einem Blankozettel ziehen wir einen vertikalen Strich als Nord-Süd-Achse. Von einem Ausgangspunkt auf diesem Hilfsmeridian tragen wir den KdW ein und auf dieser Kurslinie die FdW ab (sm/h). Am Ende des Kurspfeiles tragen wir nun den Strom mit seiner Richtung und Stärke ab. Nun können wir den Ausgangspunkt mit der Spitze des Strompfeiles verbinden und erhalten als Verbindungslinie den KüG mit der FüG.
Natürlich können wir aus dem Winkel zwischen dem KdW und dem KüG auch die BS in „°“ ablesen und in unser Rechenschema übernehmen, aber der ermittelte KüG kann ebenso ohne diesen Schritt sofort in die Seekarte übernommen werden, denn der Kurs über Grund (KüG) ist nun endlich auch der gesuchte Kartenkurs (KaK) für die Seekartenarbeit.
KüG = KaK
In der nautischen Literatur werden die beiden Beschickungen für Wind (BW) und für Strom (BS) bisweilen auch als BWS zusammengefasst. Die folgende Darstellung hilft zu verstehen, welche Richtungsangabe sich auf welchen Winkel bezieht. MgK, mwK und rwk beziehen sich immer auf unsere Kielline (=Mittschiffsachse), also auf unsere Rechtvorausrichtung. Die Abdrift durch den Wind und die Abtrift durch den Strom verändern diese Rechtvorausrichtung nicht; sie lassen mich nur schräg abtreiben. Wenn ich etwas querab habe, bezieht sich dies also immer auf meine Rechtvorausrichtung.
Den Einfluss des Stroms kann man sich in etwas so vorstellen, dass jemand an dem Teppich zieht, auf dem ich gerade unterwegs bin.
Damit kennen wir nun das komplette Kursverwandlungsschema vom abgelesenen Magnetkompasskurs (MgK) bis zum Kurs über Grund (KüG), welches sich – je nach bevorzugter Darstellung - von oben nach unten bzw. von links nach rechts liest:
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Das Kursverwandlungsschema lässt sich auch in umgekehrter Richtung anwenden, also vom KüG (= Kak) zum MgK. Dies benötigen wir, wenn wir der Seekarte einen Kurs entnommen haben und dem Steuermann bzw. Rudergänger mitteilen wollen, was er am Magnetkompass zu steuern hat. Wir ermitteln also eine Art Vorhaltewinkel, den der Steuermann zu berücksichtigen hat, damit wir trotz des Versatzes durch die Gezeitenströmung letztendlich am Zielort angelangen. Es geht also hierbei um die Vorausberechnung des zu steuernden Magnetkompasskurses.
Würde man dies nicht machen, käme man zum einen nicht am Zielort an, zum anderen könnte man auf dem Weg dorthin eventuell gefährdet sein:
Um also vom KüG über den KdW zum MgK zu gelangen, müssen wir das Stromdreieck anders nutzen:
Wir verbinden den Ausgangspunkt mit dem Zielpunkt. Die so entstandene Linie ist unser Kak (=KüG). Dann tragen wir ebenfalls am Ausgangspunkt den Strom an. Wir nehmen als nächstes die bekannte oder geschätzte FdW in den Zirkel und schlagen von der Spitze des Strompfeils einen Kreisbogen mit Schnittpunkt auf der KüG-Linie. Jetzt verbinden wir die Spitze des Strompfeiles mit diesem Schnittpunkt und erhalten somit den KdW. Gleichzeitig können wir für andere Berechnungen noch die zu erwartende FüG ablesen (siehe auch: Kapitel 7.3.4 Langzeitberechnung).
Mit dem zeichnerisch ermittelten KdW können wir dann in unsere Kursberechnung einsteigen und nutzen das Schema, je nach persönlicher Präferenz von unten nach oben bzw. von rechts nach links (rechnen also mit umgekehrtem Vorzeichen):
Ein Sonderfall entsteht, wenn der Stromvektor länger ist, als der Fahrtvektor und somit kein zeichnerischer Schnittpunkt mit der KüG-Linie entsteht. Das gewünschte Ziel ist dann mit einem Schlag nicht erreichbar.
Wenn wir keine Angaben zum herrschenden Strom haben, müssen wir versuchen eine andere Gelegenheit zu nutzen, um den Strom eigenständig zu ermitteln. Das können wir, quasi ex post nach einer gefahrenen Distanz auf demselben Kurs, mit der dritten Variante des Stromdreiecks lösen:
Wir müssen den Ausgangsort und den wahren (beobachteten) Schiffsort (Ob) kennen; letzterer können wir durch ein bekanntes Objekt, durch Peilung, per GPS etc. ermitteln. Dann verbinden wir die beiden Punkte und erhalten den KüG. Sodann tragen wir vom Ausgangsort den KdW ein. Am Log lesen wir nun die zurück gelegte Distanz durch Wasser (DdW) ab und tragen sie auf der KdW-Linie ab.
Damit erreichen wir den Ort, den wir ohne Stromversetzung erreicht hätten; wir nennen diesen Koppelort (Ok). Die Verbindung vom Ok zum Ob ist unsere Besteckversetzung (BV). Sie ist identisch mit der Richtung, in die uns der Strom versetzt hat (sofern wir andere Fehlerquellen bei der Ermittlung des Koppelortes vernachlässigen – siehe folgendes Kapitel). Die Strecke vom Ausgangsort zum Ob gibt uns nebenher noch eine Information zur tatsächlich zurück gelegten Distanz, der Distanz über Grund (DüG).
Die Stromstärke erhalten wird nun, indem wir vom Ausgangspunkt auf dem KdW die FdW abtragen und die Linie der BV parallel auf das Ende der FdW verschieben; diese schneidet den KüG – ihre Länge gibt die Stromstärke an.
(dead reckoning)
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Zweck der Koppelnavigation ist eine laufende näherungsweise Ortsbestimmung des Schiffes aufgrund von Kurs und Fahrt. Dazu zeichnet man von Beginn eines Törns an den zurück gelegten Weg in die Seekarte ein. Jeder gesteuerte Kurs wird nach seiner Umwandlung als KüG mit seiner Distanz in die Seekarte eingetragen; bei jeder Kursänderung markieren wir einen kleinen Strich (rechtwinklig zum letzten Kurs) und vermerken hier die Uhrzeit und den Logstand.
Natürlich gehören diese Angaben auch in das Logbuch. Das Mitführen der abgelaufenen Kurse nennt man „koppeln“. Die durch das Koppeln ermittelten Standorte werden deshalb Koppelorte (Ok) genannt (früher war auch die Bezeichnung gegisster Ort (Og) gebräuchlich).
Ein Koppelort ist keine zuverlässige Standortangabe. Auch wenn man den Einfluss von Wind und Strom im KüG bereits berücksichtigt hat, bleibt es bei einer näherungsweisen Ermittlung des Standortes, denn Fehler bei der Beschickung des Kurses, Logfehler und ungenaues Steuern kumulieren sich und können zu Fehlern führen. Man spricht deshalb auch von einer geschätzten Position (EP – estimated position), die man nach einer Folge von Koppelkursen erhält. Diese wird dann konventionell mit einem markiert. Je länger die gekoppelte Distanz wird, umso grösser ist die Gefahr, dass der Koppelort (Ok) vom wahren Schiffsort (Ob) abweicht. Man geht von einer Ungenauigkeit von 10% bezogen auf die zurückgelegte Distanz aus. Zieht man einen Kreis mit einem solchen Durchmesser um den Koppelort erhält man eine Zone, in der man sich wahrscheinlich befindet und welche deshalb frei von Gefahren sein sollte. Je länger man koppelt, desto grösser wird dieser Kreis. Deshalb müssen wir von Zeit zu Zeit sich bietende Gelegenheiten nutzen, um unseren Standort zu überprüfen und unseren wahren Schiffsort ermitteln. In den weiteren Kapiteln lernen wir dafür verschiedene Navigationsverfahren kennen.
Statt zeichnerisch zu koppeln können wir auch rechnerisch koppeln. Man bezeichnet dies als Besteckrechnung nach Mittelbreite. Dazu müssen wir folgendes Schema vor Augen haben:
Der Breitenunterschied b entspricht der Anzahl der Breitenminuten zwischen A und K. Die Abweitung a entspricht dem Längenunterschied L, wobei L = a / cos φm und a = λ x cos φm. φm bezeichnet dabei die Mittelbreite, also (φA + φK) / 2. Man kann sich zur Ermittlung der Abweitung auch nautischer Tafeln bedienen. Für deren Nutzung muss man den KaK in einen quadrantalen Kurs umrechnen, also beispielsweise:
Kurs Vollkreis | Kurs quadrantal | |
055° | ð | N 55° E |
150° | ð | S 30° E |
220° | ð | S 40° W |
340° | ð | N 20° W |
Die folgende Aufgabenstellung soll als Beispiel dienen:
Bekannt: | Koordinaten des Ausgangsortes (A) | φ 56° 48‘ N λ 020° 53‘E |
Kurs über Grund (ά) | 235° | |
Distanz über Grund (d) | 176 sm | |
Gesucht: | Koordinaten des Koppelortes (K) |
Die Berechnung vollzieht sich in folgenden Schritten:
1. | KaK „ά“ in quadrantalen Kurs umformen |
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2. | Mit quadrantalem Kurs und Distanz in Fulst Nautische Tafel 3: d ð a,b (oder per Rechner: a = d * sin ά und b = d * cos ά) |
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3. | Berechnung der Mittelbreite (Nordhalbkugel: + wenn b nördlich / - wenn b südlich) |
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4. | Berechnung des Längenunterschiedes l Mit gerundeter φm in Fulst Nautische Tafel 4 sukzessive Umrechnung von a in l (oder per Rechner: 1 = a/cos φm) | φm = 56° / a = 144
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5. | b und l sind in ° (Grad) und ` (Minuten) umzurechnen, wenn > 60` |
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6. | φA (+/-) b = φB λA (+/-) l = λB |
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Besonders nützlich ist das rechnerische Koppeln beim Aufkreuzen, wenn mehrere Koppelkurse hintereinander gefahren werden. Man arbeitet dann mit dem Gesamt-Breitenunterschied „bG“ und der Gesamt-Abweitung „aG“.
Kurs | d | b | a | |||
KüG | quadr. | sm | N | S | N | S |
+ / - | + / - | |||||
Σ | bG | aG | ||||
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Man kann diese Berechnung auch nutzen, um rechnerisch den zu steuernden Kurs und die Distanz von einem Ausgangsort zu einem Zielort zu ermitteln. In der obigen Skizze wird der Koppelort K zum Zielort Z.
Bekannt: | Koordinaten des Ausgangsortes A | φA 46° 13,0‘ N λA 023° 27,0‘ W |
und des Zielortes Z | φZ 49° 37,0‘ N λZ 007° 25,0‘ W | |
Gesucht: | zu steuernder KüG und Entfernung zwischen A und Z |
• | Bestimmung des Breitenunterschieds φA - φZ = b |
| ||||||||||
• | in „´“ umrechnen |
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• | Bestimmung der Mittelbreite φm = φA (+/-) b/2 |
| ||||||||||
• | Bestimmung des Längenunterschiedes λA - λZ = l |
| ||||||||||
• | in „´“ umrechnen |
| ||||||||||
• | Berechnung der Abweitung mit gerundeter φm in NT 4; sukzessive Umrechnung von l in a | oder per Rechner: a = l x cos φm | a = 645 sm | |||||||||
Berechnung des KüG tan ά = a/b a ά (aus NT 3) Abrundung auf nächsten tan Kurs in NT3 (Kopf-Fuss-Zeile); daneben Richtungsquadrant (logische Ableitung des gefundenen Kurses) | oder per Rechner: | ά = 72,4° | ||||||||||
Berechnung der Distanz d Bei ά mit a bzw. b in NT 3 a d (tan auf Seite oben: b links, a rechts / tan auf Seite unten: b rechts, a links; d steht in der Zeile, in der b und a annähernd gefunden wurden) | oder per Rechner: d = b/cos ά | d = 676 sm |
In der terrestrischen Navigation bemüht man sich darum gesicherte Standlinien zu ermitteln, also Linien, von denen wir mit Gewissheit sagen können, dass sich unser Schiff auf ihnen befindet. Standlinien erhält man mittels:
Peilung – dies ist eine Richtungsbestimmung vom Betrachter zum Peilobjekt. In der Seekarte werden Peilungen als Geraden vom Peilobjekt aus abgetragen (siehe: Kapitel 3.1).
Abstandsmessung – dies ist die Distanzmessung zu einem Objekt und wird in der Seekarte als Kreisbogen eingetragen (siehe: Kapitel 3.2).
Tiefenmessung – um festzustellen auf welcher Tiefenlinie wir stehen (siehe: Kapitel 3.3).
Für das Zeichnen (plotten) in der Seekarte gelten Konventionen.
Kurse, Peilungen, Abstandsmessungen etc. werden mit folgenden Symbolen eingetragen:
Koppelort Ok - Dead reckoning DR | |
Erwarteter Ort* - Estimated position EP | |
Peilung - position line | |
Versegelungspeilung - transferred position line | |
Beobachteter Ort Ob – fix (observed position) | |
Abstand - range / distance off | |
Kurs durch Wasser KdW - water track | |
Kurs über Grund KüG - ground track COG | |
Gezeitenstrom - tidal stream | |
GPS-Wegpunkt - waypoint |
* Ein erwarteter Ort ist eine näherungsweise Position, die durch Aneinanderreihung mehrerer Koppelkurse (KüG) ermittelt wurde.
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Ein spezieller Anwendungsfall für eine Deckungspeilung entsteht, wenn man sein Schiff punktgenau zu einem Ort führen muss, der durch kein Seezeichen markiert ist. Dies wird auch als Spotnavigation bezeichnet (spot nav). Dies kann beispielsweise ein Tauchspot sein, den man als Zielort vorgegeben bekommen hat. Auch wenn man die genaue Position des Spots mit seinen Koordinaten kennt, ist es schwierig diesen bei Wind und Strömung exakt zu erreichen. Ein Kartenstudium hilft, um hierfür eine Lösung zu finden. Ideal ist es, wenn man entdeckt, dass sich der gesuchte Spot auf einer Linie zwischen zwei Objekten (= Deckungspeilung) befindet (siehe die blaue Linie). Man weist den Rudergänger dann an das Schiff auf dieser Linie zu halten und auf den Spot zuzufahren, bis man diesen beispielsweise durch eine zusätzliche Peilung mit dem Handpeilkompass (siehe der schwarze Pfeil) lokalisieren kann. Peilungen mit dem Handpeilkompass werden als nächstes beschrieben.
Oft sind Peillinien von zur Deckpeilung geeigneten Peilobjekten – wie Feuer in Linie - in der Seekarte (mit ihrer rechtweisenden Peilung rwP) bereits eingetragen, zum Beispiel zur Anzeige eines Fahrwassers (siehe beispielsweise Seekarte 1706: Ansteuerung Saint Peter Port mit 220°).
Auf ebenso einfache Weise können wir eine Standlinie gewinnen, wenn wir uns bei einem Sektorenfeuer (siehe: Kapitel 4.2.3) aus einem Sektor in den benachbarten Sektor begeben, denn wir kennen aus der Seekarte bzw. dem Leuchtfeuerverzeichnis den Peilwinkel zum Objekt zum Zeitpunkt des Farbwechsels.
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Grundsätzlich eignet sich dafür unser Steuerkompass; dieser ist aber oft an einer ungünstigen Stelle montiert, die seine Nutzung als Peilkompass praktisch unmöglich macht. Also benötigen wir zusätzlich einen Handpeilkompass (siehe Kapitel 4.3.3). Dies kann ein handlicher Magnet-Kompass sein, ein Magnet-Kompass mit elektronischem Speicher zur späteren Ablesung gleich mehrerer Peilergebnisse oder auch ein Fernglas mit eingespiegeltem Kompass.
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MgP + (+/-) Mw
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rwK + SP ðrwP | bzw. | rwK + RaSP ðrwP |
rwK = rwP – SP | rwK = rwP - RsSP |
Bei der Messung mit dem Radar erhalten wir zusätzlich zur Peillinie noch den Abstand und somit bereits eine Position (Ob).
Stehen uns gleichzeitig zwei verschiedene Peilobjekte zur Verfügung - erhalten wir also zwei rwP - können wir diese als Standlinien in die Seekarte eintragen. Ihr Schnittpunkt markiert unseren Ob. Die Genauigkeit der Standortermittlung nimmt zu, wenn sich die beiden Standlinien möglichst im rechten Winkel treffen und die Peilobjekte vom Standort nicht weit entfernt liegen.
Die Aneinanderreihung mehrerer zeitlich versetzter Kreuzpeilungen zu denselben Peilobjekten bezeichnet man als Reihenpeilung. Sie dient zur Kontrolle, ob der vorgegebene KüG eingehalten wurde oder ungenaues Steuern durch den Rudergänger, falsche Annahmen zu Wind- und Stromeinfluss etc. zu einer Kursabweichung geführt haben.
Noch sicherer wird die Ortsbestimmung bei gleichzeitigem Peilen von drei Objekten; man erhält dann zumeist ein kleines Fehlerdreieck (cocked hat) und nimmt die geometrische Mitte des Fehlerdreiecks als Standort Ob an; sollte sich jedoch eine gefährliche Stelle in unmittelbarer Nähe zum Fehlerdreieck befinden nimmt man zur Vorsicht an, dass man dieser nahe ist.
Die Reihenfolge beim Peilen ergibt sich aus der Lage der Peilobjekte zum anliegenden Kurs. Stehen uns drei Peilobjekte zur Verfügung peilen wir das Objekt, welches sich am meisten querab von uns befindet, zuletzt, denn dieses wandert am schnellsten aus (in der Skizze der Leuchtturm im Norden). Das heisst, dass sich der Winkel zum querab befindlichen Peilobjekt durch die Fahrt, die wir während den Peilungen machen, am schnellsten verändert und wir diesen Winkel also als letztes messen, um den Fehler so klein wie möglich zu halten. Der Winkel zu einem Objekt, auf das man zuläuft (in der Skizze auf der folgenden Seite der Leuchtturm im Südwesten) ändert sich hingegen weniger schnell, also peilt man dieses Objekt zuerst.
Die Zeit und der Logstand werden durch die zuletzt erfolgte Peilung bestimmt. Der über die Standlinien gewonnene beobachtete Ort gilt als wahrer Ort (Ob) und wird mit einem kleinen Kreis in die Seekarte eingetragen und der weitere Koppelkurs von ihm aus abgetragen.
An die markierten Orte zur Positionsbestimmung werden immer die Uhrzeit der Positionsaufnahme (als vierstellige Zahl, im Beispiel 1010) und der korrespondierende Logstand (im Beispiel 352,6) angetragen. An die Kurslinien sollen die jeweiligen Kursangaben und an die Peillinien die jeweiligen Peilwerte dreistellig angetragen werden. Peilwerte sollten dann noch mit dem Symbol
gekennzeichnet werden (also beispielsweise 235° bei der ersten Peilung).
Die rechtweisende Versetzung (Richtung und Distanz) vom Ok zum Ob wird als Besteck-Versetzung «BV» bezeichnet.
Von einer Doppelpeilung spricht man, wenn man zwei Peilungen vornimmt, die nicht zum selben Zeitpunkt stattfinden und zwischen denen man bereits wieder eine Distanz zurückgelegt hat. Die zwischen den beiden Peilungen zurück gelegte Strecke wird als „Versegelung“ bezeichnet. Es ist wichtig eine möglichst genaue Erkenntnis der versegelten Strecke (Distanz über Grund - DüG und Kurs über Grund – KüG) zu haben. Angaben vom Steuerkompass sind also wie üblich mit der Ablenkung, der Missweisung und der Beschickung für Wind zu berichtigen. Den Kurs durchs Wasser können wir in die Seekarte übernehmen und seine Länge mittels der gegebenenfalls mit dem Logfaktor berichtigen Logdistanz (siehe: Kapitel 4.3.5) markieren. An das Ende tragen wir dann noch den Gezeitenstrom für die betreffende Periode an (im folgenden Beispiel herrscht kein Gezeitenstrom).
Das Prinzip besteht nun darin, dass die 1. Peilung parallel zur versegelten Strecke um die versegelte Distanz verschoben wird; man nimmt die 1. Peilung so gesehen zur 2. Peilung mit.
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Dabei unterscheidet man noch, ob man mit einem Peilobjekt oder mit zwei Peilobjekten (Peilung des zweiten Objektes erfolgt, wenn erstes Objekt bereits ausser Sicht liegt) arbeitet.
Dies ist eine besondere Form der Doppelpeilung, bei der man das Peilobjekt zunächst unter einem Winkel von 45° zum KüG peilt (1. Peilung) und dann noch einmal unter einem Winkel von 90° zum KüG (2. Peilung). Man kann dazu am besten die Seitenpeilscheibe nutzen und diese auf 45° (bei einem Peilobjekt auf Steuerbord) bzw. 315° (bei einem Peilobjekt auf Backbord) voreinstellen.
Sobald man diese Winkel anliegen hat, notiert man sich den Logstand. Dann stellt man die Seitenpeilscheibe auf 90° (bei einem Peilobjekt auf Steuerbord) bzw. 270° (bei einem Peilobjekt auf Backbord) ein und notiert den Logstand sobald dieser Winkel anliegt. Da bei einem rechtwinkligen Dreieck die beiden Katheten gleich lang sind entspricht die zwischen der ersten und der zweiten Peilung zurück gelegte (Log-)Distanz dem Passageabstand zum Zeitpunkt der zweiten Peilung. Gegebenenfalls muss die Logdistanz noch mit dem Logfaktor korrigiert werden.
Die Winkel (45° bzw. 315° und 90° bzw. 270°) beziehen sich auf den KüG. Weicht die Kielrichtung unseres Bootes von dem KüG ab, müssen wir dies bei der Einstellung der Seitenpeilscheibe berücksichtigen. Um die Seitenpeilscheibe korrekt vorjustieren zu können, müssen wir den Peilwinkel mit der Beschickung für Wind (BW) und der Beschickung für Strom (BS) korrigieren. Beispiel: Peilobjekt auf Steuerbord / BW=000° / BS=+020° (setzt von Backbord).
1. Peilung 045° | 2. Peilung 090° | |
Winkel zwischen KüG und rwP | 045° | 090° |
BW | 000° | 000° |
BS | + 020° | + 020° |
Einstellung der Peilscheibe | 065° | 110° |
1. Peilung 315° | 2. Peilung 270° | |
Winkel zwischen KüG und rwP | 315° | 270° |
BW | 000° | 000° |
BS | - 010° | - 010° |
Einstellung der Peilscheibe | 305° | 260° |
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Anstelle der Vierstrichpeilung kann man auch mit anderen Peilungs-Winkelpaaren arbeiten, bei denen der zu erwartende Passierabstand (man spricht auch von der Querab-Entfernung bzw. der Dwarsentfernung) im Zusammenhang mit der versegelten Strecke steht. Diese Winkelpaare haben den Vorteil, dass man den Passierabstand bereits im Vorhinein abschätzen kann und nicht erst
wenn der Zeitpunkt des geringsten Abstandes bereits vorliegt und eine kritische
Situation entstanden sein könnte. Man unterscheidet Winkelpaare, bei denen die versegelte Strecke gleich des zu erwartenden Passierabstandes ist und Winkelpaare, bei denen der Passierabstand einen Bruchteil der versegelten Strecke bildet:
Die erste Peilung erfolgt beispielsweise, wenn ein Winkel von 27° anliegt, die zweite Peilung bei einem Winkel von 46° zum Peilobjekt. Die zwischen den beiden Peilungen zurück gelegte Logdistanz entspricht dem zu erwartenden Passierabstand.
Wenn wir zum selben Zeitpunkt zwei Peilobjekte (P1 und P2) zur Verfügung haben, dann können wir mit dem Sextanten (siehe: Kapitel 4.3.7) von unserem Standort aus, den Winkel messen, der zwischen diesen liegt. Man nennt diesen Horizontalwinkel (ά).
In der Seekarte verbinden wir dann die beiden Peilobjekte mit einer Linie. Sodann bilden wir den Ergänzungswinkel zu 90°, also 90° - ά = β. Der Winkel β wird in P1 und P2 angetragen, und zwar zum Schiffsort hin, wenn der Wert β > 0 ist bzw. vom Schiffsort weg, wenn der Wert β < 0 ist. Die beiden Schenkel schneiden sich im Punkt M. Der Kreis um den Schnittpunkt M mit dem Radius M-P1 ist die gesuchte Standlinie.
Doppel-Horizontalwinkelmessung
Haben wir drei Objekte zur Verfügung, können wir die beiden Winkel zwischen jeweils zwei dieser Objekte messen. Auf diese Art erhalten wir zwei Kreislinien und aus dem Schnittpunkt derselben den Standort.
Eine andere Art der zeichnerischen Standortbestimmung, die auch dann funktioniert, wenn die drei Peilobjekte und unser Standort durch Zufall auf einem Kreis liegen, kann so vorgenommen werden:
Die Objekte P1 und P2 sowie P2 und P3 werden miteinander verbunden.
Durch P1 wird die Senkrechte zur Verbindungslinie P1-P2 gezeichnet.
Durch P3 wird die Senkrechte zur Verbindungslinie P2-P3 gezeichnet.
An die Senkrechte zur Linie P1 – P2 wird der Beobachtungswinkel (im Beispiel 45°) eingetragen, so dass diese Linie durch P2 verläuft – der Schnittpunkt dieser Linie mit der Senkrechten wird markiert.
An die Senkrechte zur Linie P2 – P3 wird der Beobachtungswinkel (im Beispiel 50°) eingetragen, so dass diese Linie durch P2 verläuft – der Schnittpunkt dieser Linie mit der Senkrechten wird markiert.
Die beiden Schnittpunkte werden miteinander verbunden.
Auf der Verbindungslinie zwischen den beiden Schnittpunkten wird eine Senkrechte so eingetragen, dass diese durch P2 verläuft. Der Schnittpunkt dieser Senkrechten mit der Verbindungslinie markiert den Standort.
Können wir eine Landmarke identifizieren und zu dieser die Höhe ausfindig machen, ergibt sich die Möglichkeit eine Höhenwinkelmessung durchzuführen. Die Höhe des Bauwerkes erfahren wir beispielsweise aus dem Leuchtfeuerverzeichnis (siehe: Kapitel 4.1.5). Tagsüber nutzen wir die Spalte 7 mit der Höhe des Bauwerkes vom Fusspunkt bis zum Dachfirst in Metern
„h (m)“. Nachts nutzen wir die Spalte 5 mit der Höhe der Lichtquelle (Elevation height) über dem mittleren Wasserstand bzw. dem mittleren Spring-Hochwasser (MHWS) und hoffen darauf den Küstensaum gut erkennen zu können.
In Tidengewässern muss die «elevation height» noch um den Unterschied der Höhe der Gezeit (zum Zeitpunkt der Messung) zum mittleren Spring-Hochwasser berichtigt werden. In den meisten Fällen dürfte die Höhe der Gezeit unter dem Niveau des mittleren Spring-Hochwassers liegen; letzteres ist in der Tidenkurve des jeweiligen Bezugsortes angegeben. In einem solchen Fall muss die Höhendifferenz noch zur «elevation height» addiert werden: Die Höhe des Feuers (elevation height) ist über mittlerem Springhochwasser MSpHW (MHWS) angegeben. Die Höhe des MSPHW über Kartennull (= LAT) findet sich in der jeweiligen Tidenkurve der Bezugsorte.
Beispiel:
Das Leuchtfeuer Victoria Lighthouse (46° 28.0'N 006° 15.26'W) hat eine Leuchtfeuerhöhe von 72 m über MSPHW. Würde man die Höhe der Gezeit unberücksichtigt lassen ergäbe sich eine Distanz von 21,2 sm aus der man das Feuer bei einer Augenhöhe von 3 m sehen könnte.
Aus der Gezeitenkurve von Lizard Point ersehen wir, dass das Mittlere Springhochwasser dort 5,3 m über dem Kartennull (= LAT) liegt. Nehmen wir beispielsweise an die Höhe der Gezeit beträgt 2,8 m, dann liegt die Höhe der Gezeit 2,5 m unter dem Mittleren Springhochwasser. Diesen Wert müssen wir zur Höhe des Leuchtfeuers addieren, also rechnen wir mit einer Höhe von 74,5 m. Danach ergibt sich eine Entfernung von 21,6 sm aus der man das Feuer sehen kann.
Im Ergebnis sieht man, dass sich die Berücksichtigung der Höhe der Gezeit kaum auswirkt. In der Regel bekommt man ohne Berücksichtigung der Höhe der Gezeit eine Distanz, welche näher zum Land liegt. Dies ist grundsätzlich unkritisch, also kann man die Korrektur der Feuerhöhe vernachlässigen. Nur in Gebieten mit extremem Tidenhub sollte man die Korrektur in Erwägung ziehen.
Mit dem Sextant nehmen wir den Elevationswinkel „n (min)“. Mit diesen beiden Werten können wir nun unseren Abstand in Seemeilen „A (sm)“ ermitteln. Es gilt die Formel:
A(sm) = | 13 | * | H (m) |
7 | n(min) |
Zur Berechnung können wir auch die NT 10 (Fulst Nautische Tafeln: Höhenwinkel in Minuten) verwenden, wenn die Höhe des Objektes 90 m nicht übersteigt. Die Tafel ist auch über den nebenstehenden QR-Code abrufbar:
Ein Sonderfall ist, wenn der Fusspunkt der Landmarke hinter der Kimm liegt. Dann gilt:
A (sm) =
√ 3,71 (H – Ah) + (n – 1,8 √Ah )2
- (n – 1,8 * √Ah )
Ah ist die Augenhöhe des Betrachters
Den Abstand in sm nehmen wir in den Zirkel und zeichnen um das Peilobjekt einen Kreis. Diese ist dann unsere Kreisstandlinie.
Durch die Erdkrümmung gehen Land und Himmel für den Betrachter in weiter Ferne ineinander über. Bei guten Sichtverhältnissen können wir auf der offenen See bis zu diesem Punkt, dem Horizont schauen, man nennt diesen auch Kimm. Die Entfernung unseres Schiffes zur Kimm können wir ermitteln, wenn wir unsere Augenhöhe (Ah) kennen. Dazu können wir die Tabelle „Geographical Range“ aus dem Leuchtfeuerverzeichnis nutzen oder wir arbeiten mit folgender Formel:
e = 2,075 √Ah
e = Entfernung in sm; Ah = Augenhöhe in m
Lichtquellen (zum Beispiel Leuchtfeuer) breiten sich gradlinig aus, das heisst – wenn ihre Tragweite dies zulässt – sind sie bis zu ihrem Horizont wahrzunehmen. Darüber hinaus nicht, weil Licht – im Gegensatz zu Funkwellen - nicht der Erdkrümmung folgt. Wie weit sie auf der Erdkugel wahrnehmbar sind, hängt von ihrer Höhe ab, man spricht auch von ihrer Sichtweite. Im Abstand der Sichtweite können wir um die Lichtquelle einen Kreis schlagen und wissen, dass die Fläche innerhalb dieses Kreises von der Lichtquelle ausgeleuchtet wird (wenn diese rundum abstrahlt).
Nähern wir uns aus weiter Ferne dieser Lichtquelle wird es den Moment geben, an dem wir die Lichtquelle in der Kimm zum ersten Mal wahrnehmen können (rising distance). Dann spricht man vom Feuer in der Kimm. Entfernen wir uns von der Lichtquelle wird sie ab einer bestimmten Entfernung plötzlich nicht mehr wahrnehmbar sein (dipping distance). Uns interessiert nun, wie weit wir von dieser Lichtquelle zu diesem Zeitpunkt noch bzw. bereits entfernt sind. Diese Entfernung setzt sich aus der Kimmentfernung „Beobachter – Kimm“ und der Entfernung des Feuers bis zur Kimm zusammen.
e (sm) = 2,075 (√ H(m) + √ Ah (m))
e = Entfernung des Beobachters bis zur Kimm in sm
+ Entfernung des Feuers bis zur Kimm in sm
Ah = Augenhöhe des Beobachters in m
H = Höhe des Feuers in m
Bewegen wir uns über einen Meeresgrund mit einer Topologie kann uns dies ebenfalls helfen eine Standlinie zu ermitteln. Wir versuchen durch die laufende Kontrolle des Tiefenmessers den Moment ausfindig zu machen, in dem wir eine in der Seekarte verzeichnete Tiefenlinie (Isobathe) passieren. Diese bildet dann die Standlinie. In Gezeitengewässern müssen wir die zu erwartende Wassertiefe beim Erreichen der Tiefenlinie noch vorausberechnen, indem wir die zum gegebenen Messzeitpunkt zu erwartende Höhe der Gezeit zu der Tiefenangabe der Tiefenlinie addieren.
Leider stehen dem Skipper nicht immer zwei oder mehr Standlinien zur Verfügung. Dann muss er versuchen sich zu behelfen. Ein Beispiel dafür ist das Aufkommen von dichtem Nebel. Peilungen und Abstandsbestimmungen zu Landmarken fallen dann ebenso aus, wie Peilungen zu Seezeichen. Dennoch benötigen wir in einer solchen Situation oft dringend eine Orientierung.
Eine solche Wetterlage birgt besondere Gefahren. In einem abgelegenen Seegebiet ist es oft besser vor Anker zu warten, bis sich die Situation verbessert. Auf dicht befahrenen Schifffahrtswegen ist dies keine Option. Als Verkehrsteilnehmer mit einer Yacht sollte man bei Nebel versuchen Schifffahrtsstrassen und –linien zu meiden und sich in flacheres Gewässer zu begeben, dort wo man vor einer Kollision mit der Berufsschifffahrt sicher ist.
Um das Gebiet mit hohem Verkehrsaufkommen zu verlassen, müssen wir dann „blind“ navigieren. Bei aufkommendem Nebel sollte man als umsichtiger Schiffsführer versuchen schnell noch eine aktuelle Positionsbestimmung vorzunehmen. Ansonsten muss man diese aufgrund einer zurückliegenden Positionsbestimmung und der seitdem versegelten Distanz ermitteln. Ausgehend von dieser Position ermittelt man nun - unter Berücksichtigung Wind und Strömung - einen Kurs, welcher es ermöglicht das eigene Schiff aus dem Schifffahrtsweg hinaus in Richtung Küste zu führen.
In der terrestrischen Navigation werden die Tiefenlinien jetzt zum entscheidenden Orientierungsmittel. Zunächst können wir eine sogenannte Reihenlotung vornehmen. Wir nehmen dazu in kürzeren Zeitabständen nacheinander mehrere Einzellotungen und tragen diese auf einem Lotstreifen ein:
Zeitpunkt der Lotung | Logstand zur Lotung | versegelte Distanz | Tiefenlotung |
Zur Erinnerung: Die Tiefenlotungen müssen noch mit der Höhe der Gezeit auf die Kartentiefe berichtigt werden, um mit den Tiefenangaben in der Seekarte verglichen werden zu können.
Auf diese Weise erhalten wir ein Bild vom Tiefenverlauf. Diesen vergleichen wir mit den Angaben in der Seekarte. Hat der Meeresboden ein ausgeprägtes Profil bekommen wir einen Anhaltspunkt dazu auf welchem Kurs über Grund wir unterwegs sind. In der Seekarte überprüfen wir nun weiterhin welche Tiefenlinie entlang der Küste durch sicheren Seeraum verläuft (zum Beispiel die 20-Meter-Linie). Nun versuchen wir diese Linie zu erreichen.
Für den Rudergänger ist es bei der Suche der Tiefenlinie hilfreich zu wissen, wann er ungefähr mit dem Erreichen der Tiefenlinie zu rechnen hat. Zudem ist dies eine Plausibilitätskontrolle für unsere Navigation. Gibt man dem Rudergänger beispielsweise vor, dass er konstant mit 3 Knoten Fahrt unterwegs sein soll, was bei Nebel eine angemessene Geschwindigkeit sein dürfte, dann weiss man, dass man für jede Kabellänge 2 Minuten Zeit braucht.
Zeit (min) = Distanz (sm) x 60 / Fahrt (kn) = 0,1 x 60 / 3 = 2
Hat man die gewünschte Tiefenlinie erreicht fährt man dieser danach entlang. Dazu hat es sich bewährt einen Korridor (eine Art maximalen Cross Track Error) zu definieren, in dem man sich bewegen möchte (also zum Beispiel 18 – 26 Meter). Diese Werte (korrigiert um die Gezeitenhöhe und bezogen auf die Tiefeneinstellung des Echolotes) nennt man dem Rudergänger; erreicht dieser einen der Begrenzungswerte hat er den Steuerkurs jeweils zu korrigieren.
Hat man Glück, dass es entlang der Tiefenlinie Bojen gibt, kann man von auch von Boje zu Boje navigieren (buoy hopping). Allerdings ist es in Tidengewässern erfahrungsgemäss schwierig eine Boje „blind“ direkt anzusteuern. Hat man diese einmal verfehlt, ist es umso schwieriger wieder eine Orientierung zu finden. Man sollte also deswegen den Korridor nicht verlassen.
Hinweis:
Die astronomische Navigation ist für jeden Hochseeskipper an sich ein relevanter Wissensstoff und gehört in anderen Ländern (zum Beispiel in Deutschland beim SHSS und in England beim YM Ocean) zum Prüfungsinhalt. In der Prüfung zum Schweizer Hochseeausweis wird auf dieses Thema nicht näher eingegangen. Einige der SYA Training Center bieten jedoch eine entsprechende Zusatzausbildung an; die Geschäftsstelle der SYA erteilt hierzu gerne Auskunft.
Astronomische Navigation ist der Überbegriff für alle Verfahren der Positionsbestimmung, die auf der Messung von Gestirnen - wie der Sonne, dem Mond, Planeten oder ausgewählten Fixsternen - beruhen.
Die Sonne beschreibt am Himmel als Folge der Erdrotation und des Umlaufs der Erde um die Sonne zwei unterschiedliche scheinbare Bahnen:olge der Rotation der Erde um ihre eigene Achse scheint der Fixsternhimmel und vor ihm die Sonne im Laufe eines Tages von Ost nach West um die Erde zu rotieren. Dies führt zur scheinbaren täglichen Bewegung der Sonne relativ zum Horizont (Tagbogen).
Als Folge des jährlichen Umlaufs der Erde um die Sonne verschiebt sich dabei allmählich die Stellung der Sonne in Bezug auf den Fixsternhimmel. Sie durchläuft in einem Jahr die zwölf Ekliptik-Sternbilder. Diese scheinbare Sonnenbahn vor dem Fixsternhimmel ist die Ekliptik. Dabei spielt es praktisch keine Rolle, von welchem Ort der Erde aus, die Beobachtungen durchgeführt werden, da die Sonne im Verhältnis zur Größe der Erde sehr weit entfernt ist und der Beobachtungswinkel somit nahezu gleichbleibt.
Die Ekliptik bildet auf der Himmelskugel einen Großkreis. Dieser definiert die Ekliptikebene. Die Ekliptikebene schneidet die vom Himmelsäquator definierte Äquatorebene unter einem Winkel, der als Erdneigung (= Schiefe der Ekliptik ε) bezeichnet wird und derzeit etwa 23,4° beträgt.
Während die Erde jährlich die Sonne umrundet, bleibt die Stellung ihrer Achse im Raum quasi unverändert. Für eine bestimmte geographische Region ändert sich deswegen im Jahreslauf der Einfallswinkel der Sonnenstrahlen und die Dauer des lichten Tages, wodurch die Jahreszeiten entstehen. An den Schnittpunkten der Ekliptik mit der Äquatorebene befinden sich der Frühlingspunkt (21. März) und der Herbstpunkt (23. September) mit gleich langer Tag- und Nachtzeit. Nach Durchlauf dieser Punkte werden
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